Eine Ehemalige Patientin berichtet

Berichte von Kindern und Jugendlichen

Jetzt arbeitet sie selbst mit krebskranken Kindern

 

Hallo, ich bin 7 Jahre alt und bin zum allerersten Mal im Krankenhaus. Heute ist der 5. Januar 1987 und eigentlich hat der Tag gar nicht so toll angefangen.

Meine Mama hat mor­gens mit meinem Doktor telefoniert, und der hat ihr gesagt, dass ich eine ganz schlimme Krankheit habe, die Leukämie heißt. Ich weiß zwar noch nicht genau, was das ist – irgendwas mit dem Blut, glaub ich – aber es muss sehr gefährlich sein, weil meine Mama so viel geweint hat und sie mit mir ins Krankenhaus gefahren ist. Ich hab auch geweint, weil sie so traurig war und weil sie gesagt hat, dass ich lange im Krankenhaus bleiben muss. Als wir hier angekommen sind, war es gar nicht schön, weil die mich ständig gepiekst und ganz viel Blut abgenommen haben. Sogar in den Rücken haben sie gestochen! Aber jetzt tut’s nicht mehr weh, ich bin nur immer noch so müde.

 

Meine Mama ist schon ganz lange zum Reden bei einem von den Doktors und danach will sie mir Pommes holen. Jetzt kommt gerade die Schwester und holt mich ab zum Ultraschall. Ich schreib nur noch schnell einen Brief für meine Mama – mit Links ist das ganz schön schwer, aber an der rechten Hand ist ja der Tropf – und dann muss ich auch schon gehen.

Nach der Chemotherapie und der Bestrahlung war die Intensivtherapie fast pünktlich zu meinem Geburtstag im Sommer vorbei und nach der 2 -jährigen Dauertherapie und 5 Jahren Nachsorge bin ich als »gesund« ins Leben geschickt worden. Alles lief wunderbar, ich habe die Grundschule ohne Zeitverlust hinter mich gebracht und bin aufs Gymnasium übergetreten. Neben den beiden Instrumenten, die ich erlernt habe, trieb ich viel Sport und war fast nie krank.

Tja, das ist alles nun schon über 20 Jahre her. Seither hat sich nicht nur meine Rechtschreibung verbessert, sondern auch sonst würde ich mich durchaus als eine gesunde, lebensfrohe junge Frau betrachten.

Im Sommer 1994 dann

– ich war gerade von einer Sprachreise aus London zurück – entdeckte ich einen »Knubbel« in der Leiste. »Kein Grund zur Sorge, nur ein Leistenbruch!« war die Aussage. Das war auch richtig, aber leider fand man in dem Leistenbruch auch ein paar kleine Lymphknoten, die, wie sich schnell herausstellte, bösartig waren. Nach kurzer Zeit war klar: keine Neuerkrankung, sondern ein Rezidiv!

Oh nein, alles noch einmal!

Naja, das hat’s leider nicht ganz getroffen, denn die Therapie war im Vergleich zum ersten Mal erstens länger und zweitens deutlich heftiger. Aber es gab auch Verbesserungen, z.B. die glorreiche Erfindung des Hickman-Katheters und keine Bestrahlungen mehr.
Im Großen und Ganzen bin ich aber auch durch diese intensive Zeit ganz gut (mal abgesehen von Infekten, Übelkeit usw.) durchgekommen.

Also wieder 2 Jahre Dauertherapie und 5 Jahre Nachsorge.

Am Ende dieser Zeit war ich 21 Jahre alt und habe davon 14 Jahre in Gesellschaft der »Haunerianer« verbracht.
Ich kann mich nicht beschweren, denn alle waren immer sehr nett, und auch von Familie, Verwandten und Freun­den habe ich denkbar viel Unterstützung erhalten. So wurde das Krankenhaus ein bisschen wie ein zweites Zuhause und sogar noch heute besuche ich dort eine Bekannte aus dieser Zeit.

Aber wie geht es weiter im Leben nach so einer schweren Krankheit?

Ich glaube, ich lebe deutlich bewusster und vor allem weiß ich genau, was ich für mein Leben will. So habe ich das Gymnasium mit dem Abitur abgeschlossen und eine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester gemacht.

Seit über 5 Jahren arbeite ich in einem Krankenhaus auf der Kinderonkologie, meiner absoluten »Wunschstation«.
Von vielen Eltern und Patienten habe ich seither erfahren, wie viel es ihnen bedeutet, mit »Ehemaligen«, die Ähnliches durchgemacht haben und gesund geworden sind, Kontakt zu haben.